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Die Zeit in Gaildorf
Mannheim
Das Bankhaus IHStein
Anfänge der Bank IHStein
Nach 1840: Stifter des Aufstiegs
I.H.Stein im 20.Jahrhundert


1790 kam Johann Heinrich Stein, der Sohn eines Mannheimer Kaufmanns, nach Köln. Ein untrüglicher Instinkt hat diesen Süddeutschen, der in seinem rheinischen Geburtsort die Kinderzeit verlebte, zu Kreuznach die Lehre durchgemacht hat, nach der Stätte gezogen, die oberflächlich gesehen, wie versteinertes Mittelalter erschien, die aber aus ihrem Dornröschenschlaf geweckt werden konnte. Noch bevor auch nur ein Jahrfünft seit seiner Übersiedlung vergangen war, ist Johann Heinrich Stein schon in der Lage, neben seinem zunächst begonnenen Geschäft in einer zweiten Unternehmung sich zu betätigen. Fähigkeit und Unternehmungslust, privatwirtschaftliches Erwerbsstreben und volkswirtschaftliche Einsicht waren ihm eigen. Unter dem Eindruck der Zeitforderungen hat er rasch verstanden, Handelsbeziehungen in Fühlung mit dem aufsteigenden Gewerbe zeitgemäß aufzubauen und auszugestalten.

Der nach Köln übergesiedelte Johann Heinrich Stein entstammte einer württembergischen Sippe. Die Ahnen-, Stamm- und Nachfahrentafeln, die Dr. Heinrich von Stein 1937 in der Bearbeitung von Dr. Felix von Schroeder durch die Zentralstelle für deutsche Familienforschung veröffentlichen ließ, geben gute Einblicke in die Geschlechterfolge. Es ist reizvoll, an Hand der Tabellen den Verzweigungen der Familie nachzugehen, zu verfolgen, wie das Blut von Bürgern und Bauern, von Handwerkern und Verwaltungsbeamten, von Ärzten und Kaufleuten, von Lehrern und Richtern in den Vorfahren des Kölner Hauses zusammengeflossen ist.

Der Urvater Christof Stein war in Gaildorf am Kocher, der Hauptstadt eines württembergischen Kreises an den Ausläufern des Mainhardwaldes, geboren. Er war Forstmeister in limpurgischen Diensten, hat die Wälder in den nordöstlich von Gaildorf gelegenen Bergen behütet, ist 1621 im Heimatort verstorben. 1611 hat er einen Wappenbrief erhalten. Sein Sohn Kaspar Stein, am 2. Oktober 1608 in Gaildorf geboren, wurde 1628 Kammerschreiber, dann Hausvogt zu Gaildorf im Dienst des Schenken Joachim Gottfried von Limpurg. Er zeichnete sich im Dreißigjährigen Krieg aus, wurde Kapitän, erhielt den Ratstitel. Gestorben ist er schon am 4. November 1658 mit 50 Jahren in seiner Heimat. Das zehnte Kind aus seiner Ehe, Heinrich Friedrich, geboren am 26. Oktober 1649 in Gaildorf, ist bereits mit 27 Jahren Gräflich Limpurgischer Bereiter zu Neustadt, wurde 1685 Schultheiß und Amtmann zu Bretzfeld an der Brettach, einem Nebenflüßchen des Kocher, etwa zwanzig Gehstunden von Gaildorf entfernt, wo er am 5. August 1725 starb. Aus seiner Ehe mit Katharina Messerer wurde am 6. Juni 1693 sein Sohn Johann Kaspar geboren. Er wurde Amtmann zu Schnait, nicht weit von Eßlingen, wo er am 12. Dezember 1766 verstorben ist. Aus seiner Heirat mit einer Bankierstochter aus Wien, die, wie die seiner Ahnen, mit Kindern reich gesegnet war, entstammt als achter Familiensproß Johann Heinrich Stein, der am 13. Januar 1730 geboren ist.

Von Württemberg nach Mannheim

Während bis dahin vier Generationen direkter Linie in Württemberg geblieben waren, hat es ihn als Kaufmann in die Ferne gezogen. Er war der erste des Stammes, der aus der württembergischen Heimat den Weg nach einem größeren Ort nahm. Das Blut der Mutter hat ihn in die Stadt gelockt. Johann Heinrich Stein, lutherischen Bekenntnisses, hat als Handelsmann zu Mannheim gelebt. Laut Eintragung im Mannheimer Stadtratsprotokoll zum 31. August 1761 wurde er als Bürger von Mannheim aufgenommen. Er hat in erster Ehe Juliane Katharina de Rhein, die Witwe des Handelsmannes und Handlungsmitgliedes Schlumpf, die vier Jahre älter war als er, geheiratet. Johann Heinrich Stein unterhielt in dem Hause, das Schlumpf 1750 erworben und das Stein 1777 übernommen hatte, ein Ladengeschäft mit Tabakfabrik. Er verkaufte Stoffe, Porzellane, Fayencen, Kolonialwaren, wie Tee, Kaffee, Gewürze und Zucker, sowie Tabak neben Wein und Likören. Steins Frau, die ihm zu den beiden Töchtern aus ihrer ersten Ehe ein drittes Mädchen, Sophie Henriette Stein, schenkte, starb vier Tage nach der Geburt ihres ersten Sohnes, Johann Heinrich, der seine Mutter nur um einen Monat überlebte. Johann Heinrich Stein heiratete zum zweitenmal am 9. November 1770 Maria Franziska Roth aus Heilbronn. Sie war die Tochter des Senators Franz Bernhard Roth, die Enkelin des Kommerzienrats Philipp Lorenz Schmaltz in Mannheim. Aus der zweiten Ehe Johann Heinrich Steins gingen fünf Kinder hervor. Nach einem jungverstorbenen Mädchen kam am 11. Mai 1773 ein, wieder Johann Heinrich genannter, Sohn zur Welt, dem noch drei Schwestern folgten.

Die Annahme liegt nahe, daß Stein in Mannheim neben dem Warenhandel schon Bankgeschäfte getrieben hat, denn der 1770 verstorbene Großvater seiner zweiten Frau, Philipp Lorenz Schmaltz, ist der Begründer des ansehnlichen Bankgeschäftes Schmaltz in Mannheim gewesen. Dessen Sohn, Dietrich Heinrich Schmaltz, hat die Handlung seines Vaters zu großer Wirksamkeit gebracht.Johann Heinrich Steins Haus in Mannheim zeigt eine erhebliche Kulturhöhe. Friedrich Schiller hat mit Stein und den Verwandten von dessen Frau verkehrt. Auch wird berichtet, daß Steins "sehr reizende" Tochter Sophie Henriette "in allen neueren Werken der Dichtkunst ganz einheimisch" gewesen sei. Sie hat sich mit 22 Jahren 1784 mit Jean Dufais, Rittmeister im Dienst der Generalstaaten der Vereinigten Niederlande, vermählt.

Der Mannheimer Johann Heinrich Stein ist, nachdem er bereits drei Jahre vorher seine zweite Frau verloren hatte, im Alter von 53 Jahren am 2. Februar 1783 in der Stadt seines Wirkens gestorben. Das Geschäft, das sich nicht günstig fortentwickelt hatte, wurde nach seinem Tode aufgelöst. Da mehrere unmündige Kinder vorhanden waren, wurde der Nachlaß unter vormundschaftliche Verwaltung genommen. Die Erbmasse betrug 9130 Gulden. Der inzwischen nach Köln verzogene Sohn bestätigte später, am 13. November 1798, den Vormündern den Empfang des nach allen Abzügen auf ihn entfallenden Betrages aus dem väterlichen Vermögen von 1753 H.

Von Mannheim nach Köln: Das Bankhaus entsteht

Johann Heinrich Stein, der zweite der Familie, der in die Ferne zog und den Kaufmannsberuf ergriff, war beim Tode seines Vaters erst zehn Jahre alt. Er hat eine gute Ausbildung genossen, besuchte das Winterwerbersehe Institut, eine Mannheimer Schule, die besonders die Realfächer pflegte. Johann Heinrich kam dann früh, wie es damals üblich war, in die Lehre nach Kreuznach zu Daniel und Karl Herf, einer angesehenen Firma, die Johann Daniel mit seinem Stiefbruder Johann Karl Herf betrieb. Er ist dort mit den Anforderungen der Spedition, der Kommission, auch der Bankgeschäfte vertraut geworden. Die erworbenen kaufmännischen Kenntnisse wurden für sein Leben entscheidend.

Im Alter von 17 Jahren ist Johann Heinrich Stein 1790 nach Köln gekommen. Über seinen geschäftlichen Anfängen in Köln liegt Dunkel, ähnlich wie über dem Ursprung der Bankhäuser Schaaffhausen und Oppenheim. Es fehlt eine vollständige Reihe von Urkunden und Aufzeichnungen. Immerhin sind die Lücken in den ältesten erhaltenen Geschäftsbüchern gering. Kritische Nachprüfung bestätigt die Familienüberlieferung. Für den Kenner des damaligen Wirtschaftslebens spricht viel dafür, daß ähnlich wie später Gustav Mevissen mit 17 Jahren in Dülken sich selbständig machte, Johann Heinrich Stein seit 1790 eine, wenn auch anfangs bescheidene Geschäftstätigkeit aufbaute. Vor Einführung langgedehnter Schulbildung war wachen Köpfen am Ende ihrer Knabenzeit frühe Selbständigkeit möglich. Die Frage, ob er sich als Lutheraner im katholischen Köln betätigen konnte, ist nach den erhaltenen Zeugnissen zu bejahen. Trotz der gegen sie wirkenden Vorurteile besaßen die protestantischen Geschäftsleute hier so großes Ansehen, daß sie schon 1797, bei der Bildung des ersten "Handelsvorstandes", die ausschlaggebende Rolle spielten. Stein konnte unter dem Einfluß der seit 1790 vordringenden revolutionären Ideen in Köln unangefochten die Spedition und Kommission von Kaufmannsgütern, verbunden mit Wechselgeschäften, wenn auch wohl zunächst nur in begrenztem Umfang, betreiben.

Aus eigener Kraft hat Johann Heinrich Stein sich in kurzem emporgearbeitet. Der geschäftliche Sinn seines Vaters wie die Begabung des mütterlichen Urgroßvaters Schmaltz haben sich bei ihm in glücklicher Mischung zusammengefunden. Da er wenig Kapital mitgebracht hat, aber schon nach vier Jahren über erhebliche Summen verfügen konnte, muß er in dieser kurzen Zeit ein merkliches Vermögen durch Fleiß und Umsicht in seiner Kölner "Handlung" erworben, sich wertvolle Kreditmöglichkeiten erschlossen haben, die er geschickt einzusetzen verstand. Bereits vier Jahre nach der Fußfassung in Köln hat Johann Heinrich Stein als Geldgeber zusammen mit Hubert Krings sich unter Fortführung seiner Kölner Handlung an einer Gerberei und Lederhandlung beteiligt.

Erste Beteiligungen

Im März 1794 wurden deren Arbeiten in Niederweßlingen aufgenommen. Die miteinander gemeinschaftlich und ohne schriftlichen Vertrag vorläufig gemachten Geschäfte wurden Anfang 1795 durch solchen bestätigt. Hubert Krings von Köln, Johann Heinrich Stein von Mannheim und Jakob Joseph Werrotte aus Namur (von 1799 an wird das Wort Werrotte mit einem "r" geschrieben) haben "nach reifer Überlegung" unter sich beschlossen und "sich gemeinschaftlich dazu verbunden, in Niederweßlingen (dem heutigen Wesseling) bei Köln eine Stiefelschaften- und dahin einschlägliche Lederfabrik anzulegen". Es ist für diese Zeit nicht auffällig, daß ein einzelner in mehreren Unternehmungen gleichzeitig tätig ist. Viele begabte und schaffenslustige Kaufherren haben sich, im Gegensatz zu späteren Jahrzehnten, in denen dies seltener der Fall war, damals für Einsatz ihres Kapitals. und ihrer Persönlichkeit in mehreren Firmen entschieden. Für das gemeinschaftliche Unternehmen schießen Hubert Krings und J. H. Stein 4000 Reichsthaler Species ein (untenstehend Abbildung eines Reichsthalers Preußischen Reichstalers von 1813, mit der Abblidung von Firedrich Wilhelm III. (1797-1840))
 und lassen sie, ohne Zinsen dafür zu berechnen, "in dieser Handlung stehen". Beide verbinden sich auch ferner, die nötigenfalls weiter erforderlichen Gelder herbeizuschaffen unter Vergütung von 5% "Interessen" jährlich. Dagegen muß Jakob J oseph Werrotte "der Bearbeitung der Produkte durch persönliche Gegenwart und eigene Arbeit sowie durch Anleitung der Gesellen, Lehrlinge, Tagelöhner oder sonstigen Arbeiter vorstehen". Er "verbindet" sich ferner, "vor seinen beiden andern Gesellschaftern keine Geheimnisse seines Metiers zurückzuhalten, damit durch einen nicht vorgesehenen Zufall das Geschäft nicht unterbrochen wird, sondern unter ihrer Anleitung fortgeführt werden kann".

Die "Buchführung und sämtliche Schreibereien" werden durch Hubert Krings und Johann Heinrich Stein geführt, die alljährlich gemeinschaftlich Inventar und Bilanz aufstellen sollen. Auch geben sie ausschließlich Unterschriften; sie verwalten die Einziehung und Auszahlung der Gelder. Der gedrittelte Gewinn bleibt, solange der Vertrag besteht, in dem Maße im Geschäft, daß keiner der "Teilhaber davon jährlich mehr, als er zur Bestreitung seiner täglichen particular Ausgaben (Lebensbedürfnisse) notwendig hat", aus der Handlung ziehen darf. Keiner darf während der Verbindung für sich "en particulier", en detail oder en gros Geschäfte in Leder und dahin einschlagenden Sachen betreiben. ..Jeder ist im Gegenteil  verbunden, einen ergiebigen Zweig für einen in die gemeinschaftlichen Geschäfte einschlägigen Artikel gefunden habend", denselben auf gemeinschaftliche Rechnung gewissenhaft zu benutzen.

Da Hubert Krings ein Haus und den zugehörigen Platz in Niederweßlingen hat, verpflichtet er sich, den erforderlichen Platz zu den gehörigen Anlagen der Fabrik, soviel es ihm möglich ist, herzugeben. Für solchen ist ihm jährlich eine verhältnismäßige Vergütung zuzugestehen. Die nötigen Gebäude sollen auf gemeinschaftliche Rechnung ausgeführt werden. Des weiteren verpflichtet sich Hubert Krings, dem Associe J. J. Werrotte, solange er will, gegen eine jährliche Vergütung Kost und Logis in seinem Haus zu geben und ein Gleiches nötigenfalls den in Gemeinschaftsdiensten aufgenommen werdenden Gesellen, Lehrlingen und Arbeitern angedeihen zu lassen, wogegen er eine verhältnismäßige Entschädigung von der Gesellschaft erhält. Weitere Bestimmungen betreffen die Liquidation nach Ablauf des zunächst auf zehn Jahre geschlossenen Vertrages. Streitigkeiten sollen durch ein "Schiedsgericht" von zwei oder drei "unparteiischen sachkundigen Kaufleuten" entschieden werden.

Die Arbeitsgemeinschaft erzielte Erfolge. Das Hauptbuch von Hubert Krings, Johann Heinrich Stein und J. J.Werrotte in Niederweßlingen vom Jahre 1794 bestätigt, daß zwei von den drei Beteiligten, Krings und Stein, die Kapitalgeber gewesen sind, während Werrotte der Gerbsachverständige war, der eigenes Kapital nicht einzusetzen hatte. Werrotte blieb 1795-1797 im Debet, kommt nur 1798 vorübergehend ins Kredit. Dagegen müssen Krings und Stein ständig als Kreditgeber eingreifen. Das Kassakonto beginnt schon am 1. März 1794 mit einer Vorlage von ihnen. Auch das Fabrikgebäude- und Werkzeugkonto beginnt am 31. Dezember 1795 mit einem Posten an Krings und Stein für Vorlagen zur Erbauung einer "Werkstätte". Aus dem Gewinn- und Verlustkonto ist zu erkennen, daß bei der Gewinnausschüttung Krings und Stein zusammen 2/3 Anteile, Werrotte 1/3 bekommen. Die Ergebnisse steigern sich bis 1798, wo 1456 Rth. auf Krings und Stein, 728 Rth. auf Werrotte als Ausschüttung nach einer Abschreibung von 200 Rth. auf Werkzeuge entfallen.

Die Firma kauft Rohhäute von Kälbern, Kühen und Pferden, liefert Schaftleder für Stiefel, Futter- und Sohlleder wie gegerbte Häute. Es sind in den ersten Jahren über 100 Namen von Abnehmern und Lieferanten aufgezeichnet. Sie wohnen in Köln und dessen Umgebung, rheinaufwärts bis Mainz, Worms und Mannheim, des weiteren in Bamberg, Nürnberg, Dlm, Regensburg, in Amsterdam, Lüttich, Luxemburg und Brüssel. 1798 ist Hubert Krings verstorben. Kurz nach seinem Tod heiratete seine Witwe den Geschäftspartner. ihres früheren Mannes, Jakob Joseph Werotte, der im Hause Krings seit 1794 Kost und Logis hatte. Da der Tod des Hubert Krings und die nunmehrige Verheiratung seiner "hinterlassenen" Witwe Sybilla Krings, geb. Badorth, mit J. J. Werotte eine Vereinbarung des letzteren mit Johann Heinrich Stein über das mit dem "Hubert Krings sel." gemeinschaftlich betriebene Leder- und Stiefelschaftengeschäft erheischte, wurde ein neuer Vertrag zwischen den "beiden verbliebenen Gesellschaftern" geschlossen.

Jakob Joseph Werotte in Niederweßlingen und Johann Heinrich Stein in Köln (also jetzt nicht mehr "aus Mannheim") führen das Geschäft gemeinschaftlich auf halben Schaden und Gewinn fort.Jakob Joseph Werotte in Niederweßlingen steht dem Geschäft durch persönliche Arbeit und Aufsicht mit allem Fleiß und Eifer vor. Er "verbindet" sich ferner, den in Niederweßlingen habenden Platz und "erheiratete" Gebäulichkeiten dazu instandgesetzt, zur Betreibung der Gerberei, Verfertigung und Zurichtung der Lederfabriken gegen einen pro rata des Wertes zu bestimmenden jährlichen Zins, welcher von der Gesellschaft bezahlt wird, herzugeben. Er wird verpflichtet, diejenigen Gesellen, "so im Dorf nicht untergebracht werden können und doch im Dienste notwendig sind", in seinem Haus zu Kost und Logis gegen billige Vergütung aufzunehmen. Er verpflichtet sich endlich, mit seinem Knecht, Pferd und Karren die nötigen Fuhren und Dienste zu tun, die das Geschäft erfordert. Zugleich unterzieht sich Werotte zu Niederweßlingen in seinem Haus dem Detailverkauf der Lederwaren und deren pünktlicher Verrechnung alle 6 Monate.

Dagegen übernimmt Johann Heinrich Stein die Leitung des Handels, des Ein- und Verkaufs, die Führung der Korrespondenz, der Bücher und Rechnungen, die Einnahme und Auszahlung der Gelder. Er verpflichtet sich ferner, ohne Zinsen sein bisheriges Guthaben in der Handlung zu lassen, soviel wie möglich von seinen allenfalls noch zu requirierenden Fonds" in das Geschäft einzuschießen und für die "Herbeischaffung von Geldern zur Vergrößerung und Erweiterung des Geschäftes Sorge" zu tragen. Dafür erhält er von der Handlung Zinsen zu 5 %. Solange die Societät besteht, darf keiner der beiden Associes in der "Lederbranche einschlägliche Enterprisen für sich en particulier machen", doch ist es jedem unverwehrt, Geschäfte anderer Art zu treiben, wenn keiner dabei seine Verpflichtungen gegen dieses Societätsgeschäft versäumt und vernachlässigt. In der letzten Fassung des Vertrages ist ausdrücklich betont, daß es Joh. Heinr. Stein unverwehrt ist, in Köln sich jedem andern Geschäft zu unterziehen, wenn dadurch der Gesellschaftshandel nicht leidet.

Der Vertrag soll 15 Jahre währen und fängt, obwohl er erst etwas später endgültig abgeschlossen wurde, "in Rücksicht seiner Kraft und Wirkung mit dem 12. Nivose des siebten Jahres neuen Stils der französischen Republik an, d. h. dem 1. Januar 1799 alten Stils". Sollte während der Dauer des Vertrages einer der Teilhaber sterben, so ist der V ertrag nicht aufgehoben. Stirbt J. J. Werotte, so hat seine "hinterlassene Gattin" einen braven, fleißigen übergesellen für ihre Rechnung zu stellen, welcher die Funktionen des Verstorbenen "vertritt". Auch würde, wenn J. H. Stein "das Zeitliche verlassen sollte, seine Witwe ebenfalls ein rechtschaffenes Subjekt stellen, welches seinen Verlust zu ersetzen sich bestrebt". "Auf diese Art bleibt die Gesellschaft ungetrennt und die hinterlassene Witwe empfindet den Verlust ihres Gatten minder drückend".

Diese Einigung ist erst nach ernsten Verhandlungen zustande gekommen. Es ist ein Promemoria von Joh. Heinr. Stein erhalten, das dessen geschäftliche Stärke kennzeichnet. Für die diesbezüglichen Verhandlungen notiert er sich, daß Werotte sich ebenso wie er selbst persönlicher Arbeitunterziehen müsse. Er schreibt: "Ich arbeite hier an dem Pulte, ohne mir einen Repräsentanten für meine Person zu nehmen, er am Arbeitstische. Wir beide gehen dadurch unsern Leuten mit gutem Exempel vor und nutzen dadurch ungemein dem Geschäft. Sich zur persönlichen Arbeit zu verbinden, ist ehrenvoll."

Alleinige Unterschrift

Entscheidend ist, daß Stein für sich die alleinige Unterschrift verlangt und daß die Handlungs6rma, der Ledergroßhandel (also nicht die Fabrik) unter seinem Namen geht. Er schreibt: "Es macht eine doppelte und verdrießliche Arbeit, wenn ich zwei Unterschriften habe, und welcher Wirrwarr bei den Banqiers, womit wir in Rechnung stehen und eben für die Compagnie und mich en particulier Gelder einnehmen und auszahlen! Daß es keine Eitelkeit von mir ist, wenn ich darauf fest bestehe, folgert aus der Willigkeit, mit welcher ich in unsern bisherigen Geschäften meinen Namen unbekannt ließ, während ich doch deren Hauptleiter war. Auch wird durch die Circulairs, welche an jeden Handelsfreund gesendet werden, denselben ja Herr Werotte als Gesellschafter vorgestellt, und in Weßelingen und der Gegend hierherum kann er mit jedem unter seinem Namen vertreten und correspondieren wie er will, nur das Hauptgeschäft von hier aus muß unter meinem Namen gehen." Es wurde also eine deutliche Scheidung durchgesetzt. Die Fabrikations6rma, die seither Krings, Stein u. Werotte hieß, wird als Firma Stein u. Werotte bezeichnet. Der Kleinverkauf in Wesseling ging unter Werottes Namen, das große Handelsgeschäft führte J. H. Stein unter seinem Namen wie seine Kölner Handlung, mit welcher der Großvertrieb von Lederwaren zusammengegliedert wurde. Aus den Notizen J. H. Steins geht noch hervor, daß er hinsichtlich der Inventarübernahme mehr Uneigennützigkeit von Werotte erwartet hatte. Seine Niederschrift besagt: "Wenn ich die Gültigkeit des Inventariums vom neuen Jahre verlange, fordere ich nichts Unbilliges, denn ohne mich und mein Bemühen und meinen Kredit würde der Vorrat von Waren sehr gering gewesen sein." Durch dieses Promemoria wird J. H. Steins menschliche wie geschäftliche Einstellung hell beleuchtet. Er ist nach neunjähriger Tätigkeit in Köln so stark, daß er dem Partner seine Bedingungen stellen kann.

Hochzeit mit Katharina Maria Peill

Am 16. Juni 1799 hat Johann Heinrich Stein mit Katharina Maria Peill, der Tochter des angesehenen und vermögenden Dr. med. Peter Konrad Peill, Arztes in Stolberg, die Ehe geschlossen. Von da an ist Stein deutlicher im Wirtschaftsleben hervorgetreten. Dank der Tüchtigkeit der Inhaber und dank der sich auswirkenden günstigen Lage am Rhein, die der Herführung des Rohstoffes und der für die damalige Gerberei unentbehrlichen Lohe, wie der Verfrachtung des hergestellten Leders diente, ist das Geschäft Stein u. Werotte aufgeblüht. Es wurde als eines der ersten und angesehensten seiner Art im Kölner Wirtschaftsbezirk bezeichnet.

Im Kapitalkonto der Firma wird nur noch Johann Heinrich Stein genannt. Seine Rechnung beginnt am 1. Januar 1800 mit einem Übertrag per Kapitalkonto auf 5165 Rth. Diese Summe steigt zum 31. Dezember 1800 auf 10104 Rth. Die Kapitalstärke macht bis Ende 1801 einen großen Sprung, indem der Einsatz sich mehr als verdoppelt, auf 20731 Rth. Andererseits steigt Jakob Joseph Werottes Kapitalverpflichtung im Laufe der folgenden sechs Jahre, mit Ausnahme von 1804, stetig an, obwohl seit 1800 die Gewinnausschüttung zwischen Stein und Werotte zu gleichen Hälften geteilt wurde.

Zu den treuen Kunden von Krings, Stein u. Werotte, 1794 bis 1797 und dann wieder seit Februar 1806 bei Stein u. Werotte, gehörte Johann Wilhelm Schmits seel. Wittib in Flamersheim. Dieser Familie entstammt Johann Hindrich genannt Clemens Schmits, der am 4. Mai 1812 die Enkelin des Mannheimer, die Stiefnichte des ersten Kölner Johann Heinrich Stein, Katharina Petronella Dufais geheiratet hat. Clemens Schmits ist früh in den Kölner Unternehmungen Steins tätig. Nach dem Ableben des Firmengründers sind ihm für einige Jahre große Aufgaben in der Firma zugewachsen.

Mit Beginn des Jahrhunderts fällt helleres Licht auf die Gestaltung der Stammfirma J. H. Stein in Köln. Während deren erstes Hauptbuch La. A nicht erhalten ist, liegt La. B noch vor. Das Buch beginnt am 1. Januar 1801. Daß die Stammfirma schon viele Jahre weiter zurückreicht, läßt sich aus den Angaben dieses Hauptbuches schließen. Bei der gleichzeitigen Gerberei und Lederhandlung, an der Stein beteiligt war, umspannen die erhaltenen Bücher je 6-12 Jahre. Dem Umfang nach konnte also das fehlende Buch La. A sehr wohl für 10 Jahre die Aufzeichnungen gebracht haben. Das Wechselkonto, das Kommissions- und Speditionskonto, die sämtlich mit erheblichen Übertragungen aus dem verlorenen Hauptbuch A beginnen, sind alle drei schon lange vor 1801 geführt worden. Zum andern zählt das vorhandene Buch bereits über fünfhundert Kunden. Ein so großer Kreis von Geschäftsfreunden ließ sich nicht in wenigen Jahren sammeln. Der Umfang der aus dem vorliegenden Hauptbuch hervorgehenden Tätigkeit, die vielen Beziehungen nach außerhalb, die Genauigkeit der Buchführung, die schon unverkennbar die Züge der bis in die neueste Zeit übernommenen Gepflogenheiten trägt, läßt mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit darauf schließen, daß bei Beginn dieses Hauptbuches das Geschäft schon eine längere Reihe von Jahren bestanden haben muß. Diese Überzeugung stärkt sich, wenn man überlegt, daß der von Mannheim zugezogene Gründer der Firma an einem ihm fremden Ort seine Geschäfte hatte aufbauen müssen. Zum dritten ist zu bedenken, daß Johann Heinrich Stein bereits 1794 als Kapitalgeber für die Firma Krings, Stein u. Werotte auftritt. Wenn es ihm möglich ist, schon vier Jahre nach dem Seßhaftwerden in Köln mit einer nicht unbeträchtlichen Summe sich an einem zweiten Geschäft zu beteiligen, so muß er durch erfolgreiche Tätigkeit in Köln dafür die nötigen Rücklagen und Kreditbeziehungen gewonnen haben. Gute Verdienstmöglichkeiten waren in den damaligen unruhigen Zeiten für einen begabten, fleißigen Kaufmann gegeben.

Handel und Kreditvermittlung

Kritische Nachprüfungen bestätigen demnach die alte Überlieferung, daß J. H. Stein unmittelbar nach seiner Übersiedlung 1790 seine Handlung in Köln begonnen hat und gut vorangekommen ist. Diese Kölner Firma J. H. Stein ist ersichtlich das Hauptgeschäft, neben dem schon damals die Wesselinger Gerberei an Bedeutung zurücksteht. J. H. Stein in Köln ist eine "Handlung" gewesen in der Eigenart bedeutender kaufmännischer Unternehmungen jener Zeit. Sie machte Geschäfte in vielen Zweigen des Handels, war vornehmlich tätig in Spedition und Großhandel, versuchte sich früh schon in Kreditvermittlung, auch in bescheidenem Umfang für ihre Kunden im Geldsortentausch, der allerdings meist den kleinen "Wechslern" in Deutz verblieb. Sie hat ebensowenig wie andere bedeutende Handlungen damals ihre Aufgaben auf überwiegende oder gar alleinige Banktätigkeit zugespitzt.

Die Schlacht von AusterlitzIm neuen Jahrhundert ist die Firma trotz der kriegerischen Ereignisse und politischen Wirren vorangeschritten. Kapital- wie Gewinn- und Verlustkonten weisen zwischen 1801 und 1807 schnellsteigende Summen auf. Das Jahr 1805, die Zeit der Dreikaiserschlacht bei Austerlitz (siehe nebenstehendes Bild), und das Jahr 1807, das im Frieden von Tilsit alle Länder zwischen Rhein und EIbe an Napoleon zur freien Verfügung stellte, heben sich in ihren Ergebnissen deutlich heraus. Die Schwiegermutter des Geschäftsinhabers, die "Wittib Peill", die ein größeres laufendes Konto mit erheblichen Guthaben unterhält, gibt aus diesem am 1. Januar 1805 auf Kapitalkonto des Geschäftsinhabers 6000 Rth. zu 4%, weitere 500 Rth. am 1. Januar 1806 und nochmals 1300 Rth. am 16. April 1806.

Die Gerberei Stein u. Werotte ist bei der Kölner Firma J. H. Stein zwischen 1801 und 1808 dauernd im Debet, beginnend 1801 mit 20731 Rth., 1805 mit der Höchstsumme von 50956 Rth. Ohne Steins Vermögenseinsatz hätte die Wesselinger Firma ihr Werk nicht betreiben können. Bemerkenswert ist das Gewicht des Speditionskontos. Die Spedition, die Fürsorge für Entladung und Weiterbeförderung der Waren, fand ihre Stütze im Fortbestehen des Kölner Stapelrechts mit der ihm eigenen Ansammlung von Waren im Wirtschaftsbereich der Stadt. 1805 stieg der Gewinn des Speditionskontos auf 10938 Rth.


Getreidehandel spielt vorübergehend eine wichtige Rolle

Verhältnismäßig am stärksten wächst das Kommissionskonto, namentlich seitdem im Verlauf des Jahres 1804 der Getreidehandel aufgenommen ist, für den das "Fruchtenkonto" eingerichtet wurde. Die Beteiligung der Firma am Getreideverkauf 'hatte allerdings nur vorübergehende Bedeutung. Der bald eintretende Verzicht auf den Getreidehandel ergab sich aus der Handelspolitik Frankreichs nach Eingliederung des linken Rheinufers. 1807 brachte das Fruchtenkonto J. H. Stein nur noch 99 Rth. und verschwand dann wieder aus den Büchern. Als neue Aufgabe nimmt J. H. Stein 1804 noch den Weinhandel hinzu, der seit 1800 in Köln, ähnlich wie in Mainz, aussichtsreich erschien. Führende Kreise des Kölner Bürgertums haben nach Beginn des neuen Jahrhunderts sich ihm teils dauernd, teils zwecks gelegentlicher Spekulationsgeschäfte zugewandt. Auf dem Weinkonto wird 1805 zum erstenmal Gewinn erzielt. Bescheiden bleiben die Ergebnisse bankgeschäftlicher Tätigkeit. Das Wechselkonto, das für diesen Geschäftszweig kennzeichnend ist, erbringt ganz kleine Gewinne, höchstens ein Zehntel der Kaufmannstätigkeit. 1805 schließt dieses Konto sogar mit einem Verlust von 918 Rth. ab. Ein Nettoüberschuß aus Agiotage, aus Geldwechselgeschäften, wird kaum erzielt, für die Jahre 1804-1806 werden dafür sogar geringe Verluste verbucht.

Im französischen Gebiet waren selbständiges Gewerbe und Handelsbetrieb allen unbescholtenen Personen gestattet. Sie wurden lediglich von der Lösung eines Scheins abhängig gemacht. Dies "Patent" war eine Sonderabgabe, die Kaufleute und Geschäftsinhaber außer den üblichen Steuern zahlten, als Gebühr für die Berechtigung, ihren Handel ausüben zu dürfen. Deren Höhe wurde nach dem Wert der Geschäftsräumlichkeiten und dem Mietpreis eingeschätzt. Jahr für Jahr wird für das "Patent" von J. H. Stein im Unkostenkonto eine Summe ausgeworfen, die zwischen 53 und 84 Rth. schwankt. Preußen hat in seinen großen Reformen 1808-1811 dieses System der Gewerbefreiheit übernommen. Zur Anbahnung deutscher Volkswirtschaft galt damals die Durchführung der Gewerbefreiheit als wesentliche Voraussetzung. Sie sollte die Übernahme des Maschinenwesens und des Dampfmotors (siehe obiges Bild), die im Ausland schon eingebürgert waren, erleichtern.

An Einzelausgaben ist die "Fenstertaxe" von Interesse, die sich 1802 auf 8 Rth. beläuft, schnell steigt und 1805 schon mit 50 Rth. verbucht ist. Die typisch französische Steuer hat im Rheinland öfters dahin geführt, blinde Fenster an den Häusern anzubringen, um die Fronten nicht zu unharmonisch zu gestalten und doch zugleich Abgaben zu sparen. Neben den Steuern sind in damaliger Zeit die von Köln aufzutreibenden, von der Verwaltung auf die einzelnen Bürger umgelegten Kontributionen eine beträchtliche Last.

Das Geschäftspersonal wurde klein gehalten. Unverheiratete Angestellte und Lehrlinge wohnten, wie bei Stein u. Werotte, im Kaufmannshaus, waren auch in ihrem Privatleben der Zucht des Geschäftsherrn unterstellt. Die Angestellten wechselten nur selten die Stelle, stiegen bei erwiesener Befähigung und guter Führung im Laufe der Jahre zu höheren Stufen empor. Letzteres wurde durch Anknüpfung verwandtschaftlicher Beziehungen erleichtert, wie wir es im Haus Stein beim zweiten seiner Führer, Clemens Schmits, beobachten, wie Gustav Freytag es uns in seinem besten Roman "Soll und Haben" geschildert hat.

Stein u. Werotte wurden ab 1806 alljährlich mit einem Drittel Anteil an "Reisespesen" belastet. 1802 ist eine "Chaise" (Wagen) mit Pferd und Geschirr für 259 Rth. angeschafft worden, 1804 sind für einen Frachtwagen mit Zubehör 60 Rth., 1805 für ein "Cabriolet" 288 Rth. verbucht. Der eigene Wagen gehörte damals zu den anerkannten Bedürfnissen der wohlhabenderen Kaufleute.

Handelswaren wie Messing spielen wichtige Rolle

Die am häufigsten vertriebenen Kommissionswaren der "Handlung" sind Metalle, Messing, Messingwaren (siehe Bild), Kessel aus Messing, gelber und roter Schrott, Draht, Zinn, Kupfer, Blei, Kanonenmetall, daneben Hopfen, Baumwolle, Baumwollgarne, baumwollene wie Brabanter Tücher, Leinentücher, Seide, Kattun, "Nanquinette" und "Siamois", Mercerie (Kramwaren) und Quincaillerie (Kurzwaren), Selterswasser, Eau de Cologne, Scheibenglas, Kreide, Alaun, Stockfische, Heringe, Rüböl, Berger (Norwegischer) Tran, Kaffee, Champagner, Mandeln, Melis (Pfeffer und Salz), holländischer Pfeifentabak, in erheblichen Mengen auch argentinische Wildhäute, genannt Buenos-Aires-Häute. Dem Großhandel in diesen Waren, namentlich den Massenerzeugnissen und Rohprodukten, diente bei der bestehenden Verfrachtungsmöglichkeit der Rhein als beste und billigste Straße. Großkaufleute in der Art J. H. Steins erteilten den Herstellern Aufträge, verpackten, verfrachteten, verkauften die Waren. Vieles nicht direkt von ihnen Bestellte nahmen sie in Kommission. Sie handelten in größeren Mengen, die sie in ihren Räumen aufstauten, um sie an Kleinhändler des Ortes oder der Provinz weiterzuleiten.

In dem Hauptbuch von 1806-1808 La. C werden die laufenden Konten der deutschen Kunden in französischen Franken und in Reichotalern geführt, die Konten der französischen Korrespondenten in Pfund Sterling und Reichstalern. Schnell wuchs in diesen Jahren die Zahl der korrespondierenden Einzelpersonen wie Firmen. Ausländische Verbindungen, zum Teil mit hohen Konten, finden wir für Lüttich, Brüssel, Lilie, Lyon, Paris, Amsterdam, Löwen, Neuchatel. Deutsche Geschäftsfreunde wohnen in Stolberg bei Aachen, Koblenz, Mainz, Bingen, Hanau und Worms, Gelnhausen, Alzey und Kreuznach, in Süddeutschland zu Nürnberg, Regensburg, Heilbronn, Straßburg, nach Westfalen hin in Mülheim, Duisburg, Jülich, Solingen, Remscheid, Elberfeld, Barmen, Altena.

Johann Heinrich Stein mit seiner Familie und dem Geschäft wohnt noch nicht im Eigenheim, sondern zur Miete. Das Haushaltskonto wird, wie auch in der folgenden Zeit, so geführt, daß der "Bon"-Schein über Barentnahme in der Kasse am Ende eines jeden Monats belastet wird. Der Debetsaldo wird am Ausgang des Jahres dem Gewinn- und Verlustkonto belastet. Erst danach errechnet sich der Reingewinn, der um den Haushaltsverbrauch zu vergrößern ist, wenn man die Geschäftsergebnisse mit späteren vergleichen will. Das Haushaltskonto gibt in seinen Einzelposten mancherlei Einblicke in die Gestaltung des bürgerlichen Lebens nach dem Jahrhundertbeginn. Wir erhalten aus den Buchungen ein Bild, wie die geschäftlichen Erfolge für Lebensart und Lebensneigungen ausgewertet wurden. Der Sinn für Kunst und Wissen, wie er uns für das Mannheimer Heimathaus des Firmengründers bezeugt ist, bleibt diesem in Köln lebendig. Beim Gründer der Firma J. H. Stein ist die Freude an schönheitlicher Gestaltung seines Heims ersichtlich. Sobald er ohne Geschäftsgefährdung in dieser Richtung Mittel verwenden konnte, wurden sie für Kulturgüter eingesetzt. Von verschiedenen Kunsthändlern werden Gemälde bezogen. Die guten Ergebnisse des Jahres 1805 werden für bessere Ausstattung von Wohnung wie Geschäft genützt. Stolze Gesinnung des wohlhabenden Kaufmanns verbindet sich mit vorurteilsloser Freiheit des Denkens und offenem Sinn für alles Schöne. Nicht bei vielen im Laufe des 19. Jahrhunderts zu Reichtum gelangenden Familien ist diese Einstellung in gleicher Art und in gleichem Ausmaß zutage getreten.

Für die folgenden Jahre, ab 1808, sind wir hinsichtlich der Handlung J. H. Stein wieder auf Vermutungen angewiesen, da die Hauptbücher D und E der Firma für 1809-1813 ebenfalls nicht erhalten sind. Es fehlen die genauen Zahlen für die Jahre des beginnenden und siegreich durchgeführten Endkampfes gegen Napoleon (siehe Bild). Dagegen bekommen wir auch für diese Zeit fortlaufende Einblicke in den Geschäftsgang der Wesselinger Gerberei und Lederhandlung. Kennzeichnend für die Zusammenhänge von politischem und wirtschaftlichem Geschehen ist die Entwicklung von Stein u. Werotte nach den Anlaufsjahren, im Werdegang der napoleonischen Herrschaft, in der Niedergangsperiode des Korsen wie nach der Einverleibung der Rheinlande in Preußen und der ihr zunächst folgenden Ubergangszeit.

Das Gewinn- und Verlustkonto Stein u. Werotte für die Jahre 1807-1822 spiegelt das geschäftliche wie das zeitgeschichtliche Geschehen wieder. Das Friedensjahr 1808, in dem der französische Kaiser in Spanien kämpfte, bringt erheblichen Gewinn, ebenso 1812, in dem die Rheinlande durch den Zug Frankreichs gegen Rußland, abgesehen von der Soldatengestellung, wirtschaftlich verhältnismäßig wenig berührt wurden. Lederlieferungen an Heeresgruppen sind damals nutzbringend gewesen. Der Gewinn sinkt nach den Monaten der Befreiungskriege schnell ab.

Das Ergebnis 1814, des Jahres, in dessen Neujahrsnacht Blücher (siehe Bild) den Übergang über den Rhein erzwungen hat, ist mager. Nach Wiederkehr des Friedens, der Eingliederung der Rheinlande in Preußen, tritt nur eine kleine Besserung ein. Die Firma hat also zunächst glücklich gearbeitet. Erst gegen Ende des zweiten Jahrzehnts seit 1800 kam der Rückgang für sie, der wahrscheinlich mit dem Aufhören der Militärlieferungen seit Beendigung der napoleonischen Kriege zusammenhängt. Bis dahin hatten zwei Reisende, Schmits und Dufais, beide Neffen des Hauptgeschäftsinhabers, der Firma gedient. Schmits war gleichzeitig auch für das Kölner Stammhaus tätig. Zugleich ist das Salär für einen Commis und das Kostgeld für Mathias Krings, wohl ein Verwandter des früheren Teilhabers Krings, belastet. Das Interessenkonto hält sich auf ansehnlicher Höhe. Es werden jährlich 6% Zinsen an J. H. Stein vergütet, unberücksichtigt die Festeinlage, die unverzinslich bleibt.

Im Erfolg wie Niedergang der Gerberei und Lederhandlung Stein und Werotte sehen wir den Widerschein der gesamtdeutschen Verhältnisse, wie sie sich seit der Absetzung Napoleons in Deutschland gestaltet haben. Die Unvollkommenheiten der Wiener Verhandlungen hatten zu tiefer Ernüchterung der Besten in den deutschen Gauen geführt. Hochgespannte Erwartungen wurden von hoffnungsarmer Niedergeschlagenheit abgelöst. Der übergroßen Anstrengung der Freiheitskriege war nationale Erschlaffung gefolgt. So sind die Jahre nach Beseitigung der Fremdherrschaft gekennzeichnet durch wirtschaftliche Stauungen und Stockungen.

Preußen bildete aus dem ihm fast gegen seinen Willen zugefallenen Rheingebiet zunächst die drei Provinzen Westfalen, Jülich-Cleve-Berg und Niederrhein. Die beiden letztgenannten wurden erst 1824 zur Rheinprovinz vereinigt. Der Zwischenzustand nach 1815 blieb verwaltungsmäßig wie wirtschaftlich unbefriedigend. Als 1818 die einstweilige Regelung endete, als von da his 1821 die neuen Organisationen kamen, fielen sie nach Meinung der Kölner in jeder Beziehung gegen die Stadt aus. Kaum sind die Anfänge für eine auch nur locker gefügte deutsche Volkswirtschaft gegeben. Deren Vorbedingungen: zusammenhängendes Straßennetz, einheitliche Grenzzölle, vereinheitlichtes Geld, gemeinsame, gleichmäßig verteilte Abgaben, arbeitsteilige Wirtschaftsgliederung fehlten fast vollständig. Es mangelte weithin an Geschäftsgeist wie an Kapitalien, die für größere Unternehmungen eingesetzt werden konnten. Wir beobachten zugleich lähmende Folgen allzu enger Wirtschaftsüberwachung, der ins kleinste gehenden Kontrolle aller nicht überkommenen, nicht gewohnten Geschäftsplanungen. Nach 1815 blieben Ost und West vorerst durch die konfessionelle Kluft geschieden. Altpreußen mit seiner dem Landadel verbundenen Beamtenschaft und die neuen Provinzen mit ihren ehemaligen Reichsstädten, Bischofssitzen, mit begütertem Adel, der aus den früheren Dynastien hervorgegangen war, haben sich lange Zeit nicht verstanden. Die Rheinprovinz fürchtete zudem die Gefahr, von dem vorwiegend agrarischen Altpreußen in ihrer Entwicklung zurückgehalten zu werden. In den frühen Jahren neuer Zugehörigkeit war die Verkopplung der namentlich gegen die englische Industrie schutzbedürftigen rheinischen Wirtschaft mit den freihändlerischen Ausfuhrbestrebungen der altpreußischen Land- und Waldwirtschaft schwer zum Ausgleich zu bringen.

Verrechnung in französichen Franken wird abgeschafft

Johann Heinrich Stein hatte es unter diesen Umständen auch nach der Franzosenzeit bei seinen geschäftlichen Bemühungen nicht leicht. Trotz aller Hemmnisse gelang es ihm aber, die auftretenden Schwierigkeiten bei seinen Unternehmungen zu meistern. Sein Guthaben in der Firma Stein u. Werotte, das seit 1805 gestiegen war, hebt sich 1811 auf 63985 Rth., um in den folgenden Kampfjahren und nach Wiederherstellung des Friedens am Ende der napoleonischen Zeit Schwankungen durchzumachen. Vom 1. Januar 1818 an wurden die Konten in französischen Franken aufgeführt. Dieser Wechsel in den Verrechnungsmethoden war bewußt und gewollt, bis die preußische Regierung 1822 diesem Verfahren einen Riegel vorschob. Nicht lediglich Oppositionsgeist kommt zum Ausdruck, sondern auch der Wille, bei Kontenführung auf "Fremdwährung" in der Schlußrechnung Agiogewinn zu erzielen.

Fesselnder als die Gestaltung und der herannahende Ausgang des Wesselinger Geschäfts ist die Fortführung der Kölner "Handlung" J. H. Stein, in die wir seit 1814 wieder genauen Einblick durch die von da ab bis heute in lückenloser Reihe erhaltenen Hauptbücher gewinnen. Die Zeit von 1814 an bringt zunächst drei Jahre lang sehr guten, darnach stark ermäßigten Gewinn. Die Stockung des Wirtschaftslebens wirkt sich auch in Steins Hauptgeschäft aus. Der Reingewinn wird zwischen 1816 und 1817 halbiert, sinkt auf 30090 Francs. Das im Geschäft arbeitende Kapital steigt 1814 bis 1817 zusammen um 165000 Francs, von 1817 bis 1819 einschl. nur um insgesamt 73000 Francs. Trotz dieser Verlangsamung ist die Kapitalkraft des Geschäftes bis zum 31. Dezember 1819 auf dreiviertel Millionen Francs angewachsen.

Prüft man, welche Geschäftszweige in diesen sechs politischen Über- gangsjahren die besten Ergebnisse erzielten, so zeigen sich deutliche Schwankungen. Während der ersten drei Jahre überwiegt stark der Gewinn aus rein kaufmännischer Tätigkeit, besonders 1814 bis 1816. Das Ergebnis des Weinkontos erreicht den Gipfel im Jahre 1815. Die Spedition hat in dieser Periode das gute Jahr 1817.

Die bankgeschäftliche Tätigkeit entfaltet sich aus dem Diskontieren und Einziehen von Wechseln der Kunden. Dies blieb lange Zeit die wichtigste Seite dieses Geschäftszweigs, in dem sich die durch Kommission und Spedition veranlaßten Kredite auswirkten. Während Wechseloperationen zunächst nur im engen Rahmen getätigt wurden, gewannen sie seit 1814 an Gewicht. 1816 erbrachte das Wechselkonto 26571 Francs. Der Gewinn ließ sich nicht in vollem Ausmaß halten, obwohl die Umsätze schnell stiegen und auf beträchtlicher Höhe blieben. Wie groß das Ansehen des Hauses als Kreditgeber schon in diesen Jahren war, beweist wohl am besten seine Heranziehung als Mitbegründer der Rheinschiffahrts-Assekuranz-Gesellschaft 1818.

Das Kassakonto weist verhältnismäßig große Zahlen auf. Die Barbestände stiegen 1818 auf 45918 Francs. Nach der Jahrhundertwende standen die Fragen der Gelddisposition, der vorsorglichen Verfügung über Ansammlung der Münzsorten im Vordergrund. Sie waren nicht immer leicht zu lösen. Seit langen Zeiten war man gewöhnt und genötigt, größere Kassenvorräte zu halten. Dies verlangte schon die Knappheit an umlaufenden Geldstücken und die Mannigfaltigkeit der Münzen, wenn man Schwierigkeiten an den Hauptzahlungsterminen vermeiden wollte. Im Kölner Bereich sind seit der französischen Besetzung die Münzen Frankreichs, der freien Reichsstadt und des Kurfürstentums, daneben vielerlei deutsche, brabantische und holländische Sorten umgelaufen, zu denen nach den Befreiungskriegen österreichische und russische Stücke hinzutraten. Neben den Prägungen in Silber kursierten Goldstücke mancherlei Art. Mit der Tatsache, unfruchtbare Kapitalien in den eigenen Gewölben halten zu müssen, konnte man sich um so mehr abfinden, als aus dem Sortengeschäft, selbst wenn man es nur für die engere. Kundschaft betrieb, Nutzen entsprang.

Von der Mietswohnung in das Eigenheim am Laurenzplatz

Das Haushaltskonto, das den Familienverbrauch J. H. Steins verbucht, geht weiterhin zu Lasten des Gewinn- und Verlustkontos. Es verdoppelt sich annähernd in den ersten beiden Jahren des Zeitraums von 1814 bis 1819, zeigt darnach seit 1816 trotz wachsender Wohlhabenheit des Geschäftsinhahers eine bemerkenswerte Gleichförmigkeit. Hinsichtlich der Lebensgestaltung wird es undurchsichtig. Seit 1814 sind nur noch wenige Posten außer den am Ende des Monats für die Gesamtentnahmen durch die Kasse belasteten Beträgen notiert, die den Lebensstil etwas verdeut- lichen. Eine wesentliche Änderung ist insofern eingetreten, als Johann Heinrich Stein mit seiner Familie nicht mehr, wie in den rückliegenden zwanzig Jahren, in gemieteter Wohnung lebt, sondern im Eigenheim am Laurenzplatz, das er 1812 erworben hat. Die Bank steht an dem Ort des Stessenhofes, den einer der 'einflußreichsten und wohlhabendsten Kölner Kaufherren in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts aufgebaut hatte. Nachkommen haben bis 1398 den Wohnsitz vergrößert. In diesem Jahr wurden nach dem Sieg der Zünfte über die Patrizier die Güter des Hilger Quatermarkt, der den Hof geerbt hatte, eingezogen. Während des 16., 17. und 18. Jahrhunderts wechselten die Familien schnell, denen das Besitztum gehörte. Im 17. Jahrhundert bekamen das Haus und sein Nachbargebäude äußerlich die Gestalt, die sie bis zum Neubau im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts hatten. Das Bauwerk nebenan war damals schon Lagerhaus, was es auch im Besitz von J. H. Stein noch lange blieb. Der zum Anwesen früher gehörige Teil in der Budengasse war eine Zeitlang das Collegium hollandicum der Kölner Universität.Die stetig wachsende Kapitalkraft der Firma, die unablässige Kapitalvermehrung waren nur möglich durch die sparsame Lebensführung Johann Heinrich Steins und seiner kinderreichen Familie. Es wurden nur bescheidene Ansprüche an den jahrweise erzielten Geschäftsgewinn für den Haushalt des Inhabers gestellt. Der erheblichere Teil der erzielten Überschüsse wurde immer wieder für neuen Geschäftseinsatz zur Verfügung gehalten. Diese Kapitalverstärkung war nötig, weil die Kölner Handlungen, auch J. H. Stein, noch viele Jahre wesentlich auf ihr Eigenkapital für Kreditgewährung angewiesen blieben. Das Fremdkapital spielte eine bescheidene Rolle. Mehrung des Eigenvermögens war und mußte erstes Ziel bleiben. Für dessen Erreichung hatte seit 1790 die Ergiebigkeit im Warenhandel und der Güterverfrachtung eine ausschlaggebende Rolle gespielt. Die enge Verbindung der Bankgeschäfte mit kaufmännischen Betriebsarten, vornehmlich mit Kommission und Spedition, die uns bis weit ins 19. Jahrhundert hinein allenthalben begegnen, ist kein Zufall gewesen. Nur wo aus kaufmännischen Bemühungen genügend Mittel gewonnen waren, konnte späterhin an die Spezialisierung der Häuser für den Handel mit Geld, für die Gewährung und Verwaltung von Krediten gedacht werden.

Nach dem Tod des Gründers

Das Jahr 1820 bringt für das Haus J. B. Stein einen tiefen Einschnitt. In ihm verliert die Firma den Mann, der der "Handlung" von Anfang den Namen gegeben, sie ins Leben gerufen, durch alle Fährnisse von drei Jahrzehnten geführt hat.

Am 18. Juni 1820 ist der Gründer der Kölner Firma unerwartet im Alter von nur 47 Jahren gestorben.' Auf den Bildern erscheint er als Persönlichkeit mit hohem Gesicht, das sich schmal nach unten verjüngt, mit kräftiger langer Nase und gut geformtem Mund. Dunkles, dichtes Haar, bedeckt den lang gestreckten Kopf. Das eigenwillige Kinn ist ein auf fallendes Kennzeichen. Die Augen hat der Maler in den Winkel gestellt. Sinnend, nicht träumend, suchen sie die Ferne. Das Bild stimmt gut zu den Eindrücken, wie man sie aus Wollen und Wirken dieses fleißigen, findigen Kaufherrn erhält.

Durch den Untergang der reichsstädtischen Freiheit, die Fremdherrschaft, die Kämpfe Napoleons, die Vertreibung der Franzosen vom linken Rheinufer, die Zeit der Ermattung nach der Hochspannung der Freiheitskämpfe, die Einverleibung des Rheinlandes in das Preußische Königreich hat Johann Heinrich Stein sein Lebensschifflein gesteuert. Bei seinem Ableben war die Firma J. H. Stein bereits zu den führenden Kölner Häusern emporgestiegen. Sie wird unter seinem Namen weiterbetrieben. Die Überwindung der erheblichen Schwierigkeiten, die durch den frühen Tod des Firmengründers entstanden, gelang dank dem Zusammenwirken seiner Witwe mit Männern, die mit dem Verstorbenen verwandtschaftlich verbunden und zugleich geschäftstüchtig waren.

Die Frau des Verstorbenen hat starken persönlichen Einfluss auf ihre Umwelt ausgeübt. Auf Jahre hinaus bleibt sie die kapitalmäßig führende lnhaberin der Firma, neben der eine jüngere Generation allmählich heranwächst und in die Aufgaben sich hineinzufühlen lernt.

Es war ein großes Glück, daß der "Wittib" in Johann Hindrich genannt Clemens Schmits die ersten Jahre nach des Gatten Tod ein langjähriger Mitarbeiter zur Seite stand. Schlechthin entscheidend aber wurde, daß an seine Stelle kurze Frist später ihr Schwiegersohn Carl Eduard Schnitzler, der Ehemann ihrer ältesten Tochter Wilhelmine, die Betriebsführung der Firma übernehmen konnte. Clemens Schmits, der Ehemann der ältesten Enkelin des Mannheimer Johann Heinrich Stein, wurde am 3. Februar 1782 in Flamersheim (nebenstehend die Burg Flamersheim) geboren, war also nur neun Jahre jünger als der Kölner Firmengründer Johann Heinrich Stein. Im Alter von 22 Jahren ist er in die Handlung J. H. Stein und gleichzeitig bei Stein u. Werotte eingetreten. Er war für beide Firmen jahrelang als Reisender und Kommis tätig. Das Konto von Clemens Schmits in Köln beginnt bei J. H. Stein am 17. September 1804 mit einer Gutschrift von 100 Th. für bewilligtes "Salair". Seit seiner Vermählung am 5. April 1812 ist Schmits an der Firma interessiert. Es werden ihm jeweils 10% des Nettogewinns gutgeschrieben.

Nach seines Stiefonkels Tod leitet Clemens Schmits den Betrieb mit der Witwe für sie und deren kleine Kinder. Im Todesjahr des Firmengründers steigt sein Anteil auf 15 % . Bereits einen Monat nach dem Ableben Johann Heinrich Steins schließt seine Witwe mit Clemens Schmits auf fünf nacheinander folgende, mit dem 1. Januar 1821 anfangende, ultimo Dezember 1825 "sich endigende" Jahre einen Gesellschaftskontrakt, nach dem sie mit zwei Drittel, Clemens Schmits mit einem Drittel aß). Geschäftsergebnis beteiligt bleibt. Für Clemens Schmits wird jetzt ein eigenes Kapitalkonto geführt, das bis 1825 auf 34375 Th. stieg.

Der fünf jährige Vertrag mit Clemens Schmits wurde, wie dies schon beim Eintritt Eduard Schnitzlers in die Firma 1822 vorbedacht worden ist, mit seinem Ablauf am 31. Dezember 1825 nicht erneuert. Die Trennung fand "zufolge freundschaftlicher Ubereinkunft" am 31. Dezember 1825 statt. Eine diesbezügliche Vereinbarung wurde zwischen den seitherigen Gesellschaftern der Handlung J. H. Stein in Köln, nämlich der "Frau Witwe Johann Heinrich Stein von einer, Herrn Eduard Schnitzler an anderer, sowie dem Herrn Johann, sage Clemens Schmits an dritter Seite" geschlossen. Vorhandene Aktien werden geteilt, alle Warenvorräte zum kostenden Preis zuzüglich 4% Zinsen von der Handlung J. H. Stein allein übernommen. Für das nach dem Bilanzabschluß vom 31. Dezember 1825 sich ergebende Netto-Kapitalguthaben wird Clemens Schmits in den Büchern eine Rechnung eröffnet.

Die letzten Gründe dafür, warum Clemens Schmits schon fünf Jahre nach dem Tod des Firmengründers sich zurückzog, sind nicht restlos zu klären. Wahrscheinlich hat entscheidend mitgesprochen, daß er nach langem, rund zwei Jahrzehnte umspannenden Dienst im Haus J. H. Stein wie bei Stein u. Werotte wohl zu sehr in den Schatten seines Verwandten Carl Eduard Schnitzler treten mußte. Clemens Schmits ist hochbetagt, mit dreiundsiebzig Jahren, nachdem er sich mit dreiundvierzig Jahren von dem Kölner Geschäft zurückgezogen hatte, am 9. Juni 1855 in Bad Godesberg gestorben. Clemens Schmits hatte das Haus J. H. Stein dankenswert fortgeführt, ohne Inangriffnahme wesentlicher Neuerungen, soweit sie nicht durch den Tod seines Stiefonkels unvermeidlich waren. Er hat aber auch die Ubernahme neuer Verpflichtungen nicht gescheut, wie der Kapitaleinsatz von J. H. Stein bei Gründung der Vaterländischen Feuerversicherungs-Gesellschaft 1823, des ersten großen privaten Versicherungsunternehmens in den Rheinlanden, und der Preußisch-Rheinischen Dampfschiffahrts-Gesellschaft erkennen läßt. Bei den Umstellungen im Interesse und zugunsten der Witwe hat er führend und fördernd mitgewirkt.

Solange die Firma auf eine Persönlichkeit zugeschnitten war, ihr allein gehörte, war die Trennung von privatem und geschäftlichem Vermögen nicht durchgeführt worden. Sie mußte nach dem Tode von Johann Heinrich Stein in die Wege geleitet werden. Der Grundbesitz wird von der "Handlung" gelöst. Das Haus an St. Laurenz ist im Hauptbuch am 1. Januar 1814 mit 54391 Fcs. bewertet. Am 31. Dezember 1820 wird das Anwesen aus dem Kapitalkonto der Firma herausgenommen. Dieses wird unter der Bezeichnung "das Haus für schreibe ab" um 55638 Fcs. gekürzt. Die Gebäulichkeiten, die Johann Heinrich Stein seiner Firma seit deren Ankauf zur Verfügung gestellt hatte, werden nun als Eigentum seiner Witwe behandelt. Von da an werden jährlich die Mieten dem Kapitalkonto der Witwe gutgeschrieben. Seit 1834 werden ihr 500 Th. von der Firma für "Comptoir", Packhaus, Kellermiete vergütet.

Ab 1821 wird die Gleichstellung des Haushaltskontos nicht mehr über Gewinn- und Verlustkonto, sondern zu Lasten des Kapitalkontos der Wittib Stein vorgenommen. Das Haushaltskonto ist bei seinen monatlichen Verbuchungen nur noch wenig aufschlußreich. Wir erkennen, daß der Gesamtverbrauch der in guten Verhältnissen lebenden Familie angesichts der Vermögens- und Einkommenslage maßvoll war. Der Bedarf schwillt an in Zeiten, in denen Kinder sich verheiraten oder auszustatten sind, um danach wieder abzusinken. Die Aufwendungen bleiben hinter den Einnahmen erheblich zurück.

Durch die skizzierten Maßnahmen wird deutlich zwischen den persönlichen Interessen der Hinterbliebenen und den Belangen der Firma geschieden. Das "Kapitalkonto", neben dem erst seit 1821 Kapitalkonten einzelner Mitarbeiter und Mitinhaber entstehen, ist und bleibt das alleinige Konto der Witwe Stein.

Verluste müssen kompensiert werden

Neben dieser Auseinandersetzung zwischen dem der Witwe wie ihrer Familie Zukommenden und den Geschäftsbelangen wird eine grundlegende Neuerung vorgenommen. Die Gerberei und Lederhandlung Stein u. Werotte, deren einziger Kapitalgeber seit 1798 Johann Heinrich Stein gewesen ist, hatte 1817 mit Verlust, 1818 und 1819 mit kleinen Gewinnen, 1820 wieder mit Verlust abgeschlossen. Das dem Tod Johann Heinrich Steins folgende Jahr 1821 brachte erneut eine für die gegebenen Verhältnisse und die damalige Zeit erhebliche Einbuße von 9500 Fcs. Die sich verschärfenden Verluste erweisen, daß der Firma nunmehr der leitende kaufmännische Kopf fehlte. Vorgesehen war ursprünglich die Fortführung des Unternehmens beim Tod eines Geschäftspartners. Diese vor mehr als zwanzig Jahren getroffene Abrede erwies sich angesichts der eingetretenen Geschäftsverluste als überholt. Da die Firma J. H. Stein der einzige Geldgeber war, konnte sie allein über Fortführung oder Auflösung des Wesselinger Werkes beschließen. Der Entscheid fiel dahin, das Unternehmen am 1. November 1822 aufzulösen und die dadurch freiwerdenden Mittel für das Kölner Stammhaus heranzuziehen. Bei ihm, nicht bei der fragwürdig arbeitenden Wesselinger Gerberei lag die größere Zukunft.

Für diese Richtung trat zielsicher auch der Mann ein, der erst vor kurzem in das Handlungshaus aufgenommen war und der darnach für volle vier Jahrzehnte die Zügelführung fest in die Hand nahm. Bis zu seinem zu Köln am 6. Februar 1864 erfolgten Tod hat Carl Eduard Schnitzler klug und geschickt die erfolgreich begonnenen Aufgaben fortgesetzt.

Carl Eduard Schnitzler war am 15. Oktober 1792 als ältester Sohn des Kaufmanns und Bürgermeisters Philipp Jakob Schnitzler in Gräfrath (Bez. Düsseldorf) zur Welt gekommen. Er entstammte einer Familie, deren Zugehörige durch Generationen als Bürgermeister im bergischen Gräfrath amtierten, als Kaufleute sich guten Ansehens erfreuten. Nachdem Eduard Schnitzler die Vollmannsche Schule in Solingen besucht hatte, trat er ins elterliche Geschäft ein. Schon im Jahre 1811 wurde ihm der Vater durch den Tod genommen. Seinen Bruder Albert brachte er zu seiner kaufmännischen Ausbildung bei der Firma J. H. Stein unter. Schnitzlers Elternhaus hatte seit vielen Jahren schon Geschäftsbeziehungen zu J. H. Stein unterhalten. Eduard Schnitzler kam häufiger mit dem Chef des Hauses J. H. Stein in Berührung. Dieser war durch den jungen, gewandten Mann gefesselt. Bei dem frühen, 1820 eingetretenen Tod J. H. Steins lastete die Verantwortung auf dessen Witwe, die sich nur auf Clemens Schmits stützen konnte. In diesem Jahr war Eduard Schnitzler ein oft und gern gesehener Gast der Steinschen Familie. Er interessierte sich für die Tochter Wilhelmine, die als anmutig und gebildet geschildert wird. Am 15. Oktober 1821, am Geburtstag Schnitzlers, an dem er das 29. Lebensjahr vollendete, wurde der Lebensbund mit der am 17. März 1800 zu Köln geborenen ältesten Tochter des ersten Kölner Johann Heinrich Stein geschlossen. Eine glückliche Ehe hat für die beiden jungen Menschen begonnen, die den Lebensweg in treu er Gemeinschaft zurück gelegt haben. Schnitzler zog mit seiner Gattin zunächst in das Solinger Heim.

Bald trat die Frage an ihn heran, ob er gewillt sei, als Teilhaber in die bereits in hohem Ansehen stehende Kölner Firma J. H. Stein einzutreten. Er ergriff die sich ihm bietende Gelegenheit, da Umsicht und Befähigung seines Bruders für die Leitung des väterlichen Geschäfts, in das dieser 1816 eingetreten war, ausreichten. Nachdem seine Gattin ihm am 11. Juli 1822 ein Töchterchen geschenkt hatte, erfolgte am 26. September 1822 Schnitzlers Übersiedlung nach Köln in das schöne Haus Marzellenstraße 12, das ihm und seiner Familie bis 1870 als Wohnung diente.

Eduard Schnitzler tritt in die Firma ein

Zu Beginn des letzten Vierteljahres 1822 ist Eduard Schnitzler als Teilhaber in die Firma seines verstorbenen Schwiegervaters getreten, während der Vertrag der Witwe J. H. Stein mit Clemens Schmits noch lief. Frau Wwe. Stein und Carl Eduard Schnitzler haben, so heißt es in dem neuen Vertrag, "es für gut und zweckmäßig gefunden, schon mit dem Eintritt Schnitzlers ihre wechselseitigen Pflichten und Rechte festzulegen". Sie beschließen, daß die unter der Firma J. H. Stein in Köln bestehende "Handlung" nach dem Austritt von Clemens Schmits bis zum Ende des Jahres 1835 fortlaufen solle. Die "Zeichnung der Handlungsfirma" werden Frau Wwe. Stein und Eduard Schnitzler ausschließlich behalten. Der laut Gesellschaftsvertrag vom 31. Juli 1820 von Clemens Schmits zu beziehende Dritteil an Gewinn und Verlust fällt an Frau Wwe. Stein vom 1. Januar 1826 an zurück, so daß die Wwe. Stein zwei Drittel, Eduard Schnitzler ein Drittel Anteil an dem Geschäft erhalten. Jeder der beiden Teile bekommt auf seine Kapitaleinlage 4% Zinsen für das Jahr vergütet.

Wichtig sind die Vertragshestimmungen hinsichtlich der Söhne der Ww. Stein, d.h. der Schwäger von Schnitzler. Artikel 12 des Gesellschaftsvertrages besagt, es sei "Absicht der Frau Wwe. Stein, daß ihr ältester Sohn Johann Heinrich Stein schon im Jahre 1824 als Gehilfe ins Geschäft aufgenommen werde. So trete derselbe zu dieser neuen Verbindung als tätiger Mitarbeiter hinzu". Seine Mutter übernimmt es, ihn durch "Salair" für "seine der Handlung zu leistenden Dienste nach Verhältnis seines Fleißes zu belohnen, so wie es auch von seinem Betragen und von seinen sich um die Handlung zu erwerbenden Verdiensten abhängen soll, wie bald ihm die Prokura der Handlungsunterschrift erteilt werden wird, bei deren Erteilung Frau W we. Stein sich darüber zu bestimmen vorbehält, welchen Teil sie ihrem besagten Sohn von ihrem Anteil an der Handlung abzutreten geneigt ist".

Es ist zwar in dem Kontrakt die Bestimmung getroffen worden, daß außer den jährlich für die Haushaltung zu beziehenden Geldern aus der Handlung sonst keine Fonds gezogen werden sollen, "doch bleibt es der Willkür der Frau W we. Stein überlassen, außer der zur Aussteuer ihrer Kinder und den von denselben gesetzlich verlangt werden könnenden Pflichtteilen nötigen Kapitalien, auch sonst noch Summen zur Anlegung auf Güter oder Häuser zu Lasten ihres Kapitalkontos aus dem Geschäft herauszunehmen, zu welchem Betrag die bereits zugunsten der Handlung bestehenden und noch zu erlangenden guten, unzweifelhaften Hypotheken vorzugsweise zu wählen sind".

Für den Tod der Kontrahenten ist bestimmt: "Würde Frau Wwe. Stein während der Dauer dieses neuen Vertrages von dieser Welt abberufen, dann soll die Handlung durchaus nicht aufhören, sondern dieselbe in diesem Fall für die Erben Frau W we. Steins mit zwei Drittel -- insofern bis dahin der Sohn Joh. Heinr. Stein nicht schon an diesen zwei Drittel beteiligt sein sollte, in welchem Fall der von Frau Wwe. Stein disponiert seiende Anteil hiervon in Abzug zu bringen sein wird, für Eduard Schnitzler mit ein Drittel Anteil fortgesetzt werden." Die Erben haben den gesamten Kapitalfonds bis zur Auflösung der Firma dann "ohne Garantie" zu überlassen. "Wenn wider alles Verhoffen schon in den ersten Jahren dieser neuen Verbindung Frau Wwe. Stein das Zeitliche mit dem Ewigen verwechseln sollte", so wird rücksichtlich ihres ältesten Sohnes Johann Heinrich Stein die Bestimmung getroffen, "daß demselben, sobald er das Alter von 25 Jahren erreicht" und "sich durch sein moralisch gutes und sittliches Betragen sowie durch Fleiß und Tätigkeit im Geschäft verdient gemacht hat", von dem den Erben verbliebenen Zweidrittel-Anteil des Handlungsgewinns die Hälfte anfallen soll. "Ein gleiches Verhältnis mit dem dann den Erben der Wwe. Stein verbleibenden Ein-Drittel-Anteil des Handlungsgewinns und Verlustes soll eintreten, sobald der jüngste Sohn der Frau Wwe. Stein, Carl Stein, das Alter von 25 Jahren erreicht und sich durch Moralität, Geschicklichkeit, Tätigkeit und Anhänglichkeit den übrigen Associes als Mitteilhaber der Handlung würdig gemacht hat." "Da durch die getroffene Bestimmung den beiden Söhnen der Frau Wwe. Stein, Johann Heinrich und Carl Stein, der alleinige Anspruch auf die von der Frau Wwe. Stein besitzenden zwei Drittel der Handlung zuerkannt ist, falls dieselben den gerechten Erwartungen ihrer Mutter entsprechen", wird, "obgleich es sich von selbst versteht, doch noch ausdrücklich festgesetzt, daß während der .Dauer dieser Verbindung kein anderer Teilhaber in die Handlung aufgenommen werden darf und soll." Es ist vorgesehen, daß der bis Dezember 1835 laufende Sozietätskontrakt vor Ablauf dieses Jahres wieder erneuert werden kann, wobei Wwe. Stein besonders noch den Wunsch ausspricht, daß die von ihrem seligen Gatten begründete "Handlung" nach ihrem Austritt oder Absterben unter derselben Firma auch später von ihrem Schwiegersohn Eduard Schnitzler und ihren beiden Söhnen in dem jetzt bestimmten Verhältnis und Anteil fortgesetzt werden möge. Jede Meinungsverschiedenheit soll durch schiedsrichterlichen Ausspruch, ohne daß ein Rechtsmittel dagegen stattfinden darf, ausgeglichen werden. Bis 1825 hat Clemens Schmits sich als Teilhaber noch finanzkräftiger als Schnitzler erwiesen. Von da an beginnt sein Kapitalkonto, entsprechend seinem Scheiden aus der Firma, abzusinken. Hauptbeteiligt in dieser Periode ist und bleibt die "Wittib" J. H. Stein.

Die Neuordnung der Geschäftsbelange nach ihres Mannes Tod hat sich bewährt. Die Jahre 1821 und 1822 brachten große geschäftliche Erfolge. Ab 1823 wurde gemäß Anordnung der Regierung die Buchführung auf Thaler Preußisch Courant umgestellt. Das Kapitalkonto der Wittib Stein schließt am 31. Dezember 1822 mit einem Saldo von 674463 Franken und beginnt am 1. Januar 1823 mit einem Kapitalsaldo von 178673 Th.

Verbindung mit Herstatt

Das Gewinn- und Verlustkonto zeigt gute Erfolge. Glänzend sind die Ergebnisse der Jahre 1831 und 1833. Zugleich läßt dies Konto den Wechsel in der Verteilung des Reingewinns während des ersten Jahrzehnts seit dem Tod des Firmengründers erkennen. 1825 wurde der Gewinn zwischen den drei Geschäftseignern Witwe Stein, Schmits und Schnitzler genau gedrittelt. Nach dem Ausscheiden von Clemens Schmits wächst dessen Anteil gemäß geschlossenem Vertrag der Wittib Stein voll zu. Vom 1. Januar 1830 an ändert sich die Gewinnverteilung wieder. Der am 5. Juni 1803 geborene erste Sohn des Firmengründers Johann Heinrich ist am 1. Januar 1830 nach seiner am 14. Oktober 1829 erfolgten Verheiratung mit Katharina Adelaide Herstatt als Teilhaber in die Firma aufgenommen worden. Seine Verheiratung hat ihm menschlich wie geschäftlich enge Verbindung zu der altangesehenen "Handlung" J. D. Herstatt gebracht. Ein Jahr später, am 14. Oktober 1830, hat Johann Heinrichs jüngere Schwester Amalie den Bankier Joh. David Herstatt jun., den Bruder seiner Frau, geheiratet. Dadurch wurden die Beziehungen noch fester geknüpft. Seit 1830 wird Joh. Heinr. Stein -Herstatt am Gewinn in der Art mitbeteiligt, daß seine Mutter von ihren 2/3 =8/12 ihm 1/4 =3/12 abgibt und selbst nur noch 5/12 behält. Carl Martin Stein, der am 16. Juni 1806 geborene jüngere Bruder Johann Heinrichs, ist am 1. Januar 1834 als Teilhaber in die Firma aufgenommen worden. Die bei den Kapitalkonten von Eduard Schnitzler und seinen beiden Schwägern haben sich in wenigen Jahren merklich erhöht.

Bei Betrachtung der Geschäftsentwicklung ist zu bedenken, daß um 1800 sich Deutschland von den Verwüstungen des Dreißigjährigen Krieges noch nicht erholt hatte. Zwanzig Jahre hindurch war es erneut von Kapitalverlusten betroffen worden. Das Vertrauen auf langwährenden Frieden nach Abschluß der Kämpfe mit Napoleon blieb zwar gerechtfertigt; dennoch verzögerte sich der erhoffte Fortschritt, zumal eine langjährige Agrarkrise mit stark absinkenden Preisen die Kaufkraft der deutschen Landwirtschaft in enge Schranken bannte. Für J. H. Stein erwies sich als Glück, daß seine Handlung die Beteiligung an Getreidelieferungen bereits vordem aufgegeben hatte. Das deutsche Gewerbe litt seit 1815 unter dem übermächtigen Wettbewerb der englischen Fabrikate. Die Besserung trat erst ganz allmählich ein. Das preußische Zollgesetz von 1818 ist der Vorläufer des herannahenden deutschen Zollvereins, dem durch den Zusammenschluß Preußens mit Hessen-Darmstadt auf zollpolitischem Gebiet 1828 Bahn gebrochen wurde. Unter Preußens Führung ist seitdem innerhalb des Deutschen Bundes zunächst die wirtschaftliche Zusammenfassung unter Ausschaltung Österreichs, sodann die politische Einigung unter dessen Ausschluß angestrebt und vollendet worden.

Kölns Bevölkerung war 1800-1816 langsam, seitdem schneller gestiegen. Begünstigt war das Anwachsen der Städte, in denen die Wasserstraßen schiffbarer Flüsse oder des Meeres genutzt werden konnten. In der Reihe der den höchsten Gewerbesteuerertrag zahlenden Städte Preußens steht aber Köln 1824 wie auch noch 1831 erheblich zurück. Unter den acht ersten ist im Westen nur Düsseldorf vertreten.

Bei diesen wirtschaftlichen Zuständen war der Fortbetrieb der Handlung Johann Heinrich Steins, dessen Tod in die Zeit der noch anhaltenden Stockung fiel, nicht leicht. Die Schwierigkeiten wurden von seinen Nachfolgern geschickt gemeistert. So hat beispielsweise J. H. Stein früher und wagemutiger als andere Kölner Häuser mit der Rheinisch-Westindischen Kompagnie in Elberfeld zusammengearbeitet, deren Exportpläne unterstützt. Uber das Warenkommissions- und Speditionsgeschäft hat die Handlung gleichzeitig mit der rechtsrheinisch-westfälischen Textilindustrie frühe Beziehungen geknüpft.

Bei den inneren Umstellungen in der Handlung während dieser Zeit erkennen wir einen offensichtlichen Strukturwandel. Das Kommissionskonto zeigt einen Höchstgewinn 1822, der in den folgenden Jahren nicht mehr erreicht wird, obwohl es sich auf beachtlicher Höhe hält. Das Speditionskonto ist von seiner Höhe abgefallen, bleibt aber im Rahmen der Handlung noch von großem Gewicht. Das Weinkonto sinkt in seiner Bedeutung. Viel hat zu diesem Rückgang die preußische Zollgesetzgebung beigetragen. Die Bitte der Kölner Weinhändler, deutsche Weine gegen einen geringen Zoll nach Preußen einführen zu dürfen, hatte der Staatskanzler abgelehnt. Die erbetene Gewährung von zollfreien Privattransitkellern sowie von Steuerkrediten für einheimische Lager an die Kölner Wein-großhändler, soweit sie kaufmännisch Buch führten, war dagegen für Häuser wie J. H. Stein und J. D. Herstatt von beträchtlichem Vorteil. Trotzdem hielten sich die Erträgnisse dieses Geschäftszweiges nicht mehr auf der erreichten Höhe. Ab 1822 vollzieht sich ein langsamer Abbau dieser Geschäftsart.

Umgekehrt ist die Entwicklung beim Wechselkonto, das die bankgeschäftlichen Aufgaben des Hauses verdeutlicht. Sein Gewinn, der sich schon 1814-1819 vervielfacht hatte, steigt von 1820 an stetig Jahr für Jahr, mit nur einmaliger Minderung 1828, und wirft seit 1827 mehr ab als die drei genannten Konten zusammen. Die Handlung hat, ohne die alten Geschäftszweige schon abzustoßen, offensichtlich den Übergang zum Bankhaus eingeleitet. Unter der Führung Eduard Schnitzlers vollzieht sich diese Entwicklung weiter.

Bei der Verwendung der Betriebsmittel kamen neben Zahlungsgeschäften durch Geldzuteilung, durch Anweisungen, durch Wechselhingabe, auch die Übertragungen von Konto auf Konto und sonstige bargeldsparende Methoden allmählich zur Ausbildung. Akkreditivstellung ist von Kölner Bankiers nach 1820 mehr und mehr ausgebildet worden, spielte bei J. H. Stein z. B. für den westdeutschen Woll- und Fellhandel eine bedeutsame Rolle. Für die Zeit vor 1850 ist die Mittlerrolle der Kölner Banken im Konsignationsgeschäft in erster Linie bei J. H. Stein und A. Schaaffhausen geblieben. Den kursmäßigen Handel von marktgängigen Wechseln auf auswärtige und ausländische Plätze hat J. H. Stein wie die übrigen Kölner Banken gepflegt. Bereits 1829 stand Köln als Wechselplatz obenan. Die gleichen Erscheinungen, die dem Sortengeschäft seinen Gewinn ließen, d. h. die Mannigfaltigkeit der sich stets verschiebenden Währungsgrundlagen, die starken Schwankungen der Valuten, sind auch dem Wechselhandel zugute gekommen. Dabei begnügte man sich nicht damit, das Wertverhältnis zwischen Thaler und Franken auf der Grundlage der Münzparität zu halten, sondern die Kölner Bankherren schufen eine fiktive Währung, den Kölnischen Franken, der dem französischen Franc nicht gleichgestellt wurde. Hundert französische Francs galten 1037/s Kölnische Franken. Der preußische Thaler blieb in wechselndem Wertverhältnis zur Kölnischen Währung. Die so entstehenden privaten Gewinnmöglichkeiten wurden mehr als aufgehoben durch die Nachteile des Wirtschaftslebens, in dessen Interesse die Abschaffung der Frankennotierung neben der Thalernotierung, die bald nach dem Münzgesetz erfolgte, zu begrüßen war.

Im frühen 19. Jahrhundert verstanden die vier Kölner Großgeschäfte auf dem Wechselmarkt sich fast eine Monopolstellung zu schaffen. Nicht nur innerhalb der Stadt und ihres Weichbildes, sondern hinaus greifend auf die sie umlagernde Wirtschaftszone, haben sie den Wechseltausch immer mehr auf sich zusammengedrängt. Die von ihnen herausgegebenen, später auch in den Zeitungen veröffentlichten Aufstellungen, die ihre Kundschaft beziehen konnten, waren in Köln maßgeblicher als der Wechselhandel an der Börse. Bis lange nach 1833 ist der Handel in Wechseln der wesentlichste bankmäßige Geschäftszweig J. H. Steins geblieben. Erst im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts, als die neuzeitliche Zahlungsweise des Giro- und Scheckverkehrs sich ausbildete, trat der Wechselhandel etwas mehr zurück.

Seit dem dritten Jahrzehnt des neuen Jahrhunderts hat das Sortengeschäft bei den "Handlungen" noch mehr an Bedeutung verloren. Sie haben es überwiegend den Kölner Geldwechslern überlassen, behielten den Münztausch nur noch als Nebengeschäft im Verkehr mit ihren ständigen Kunden bei. Entscheidend war für die allmähliche Vereinheitlichung der deutschen Münzverhältnisse das Gesetz über die Münzverfassung in den preußischen Staaten von 1821. Es hat den preußischen Thaler als alle gemeine Landesmünze festgelegt, hat zugleich für genügende Ausprägung Vorkehrungen getroffen. Als Schnitzler zur Führung der Firma berufen wurde, war die Blütezeit des Münzentausches bereits vorüber. Vergleichsweise hoch bleibt noch die nötige Vorratshaltung an Geld und Geldzeichen im Betrieb, über deren Bestände das Kassakonto Aufschluß gibt. Die Umsätze bewegten sich 1829-1832 um 2650000 Th., 1833 um 3707000 Taler. Die Unkosten der Bankoperationen waren gering, da für die Wechselgeschäfte wie für das Effekteninteresse ein kleines Kontor und einige Commis genügten.

Salair der Angestellten steigt

Das "Salair" erprobter Angestellter steigt. Eduard Woeste, der neben Clemens Schmits für die Firma reist, erhält in den Jahren 1817 bis 1819 ein Salär von 500 Rth. = 1450 Fes. jährlich; Albert Schnitzler, der Bruder Carl Eduard Schnitzlers, 1818 und 1819 je 350 Rth. Für Eduard Wo este wurde als ersten ein eigenes Konto eingerichtet, auf dem ihm sein Gehalt gutgeschrieben wurde. Das gleiche geschah für die später kommenden Angestellten Martin Pütz, C. B. Rühl und Albert Schnitzler.

Wiewohl die bankgeschäftlichen Vorgänge in schnellem Ausbau sind, bleibt J. H. Stein auch nach Ablösung von der Gerberei und Lederhandlung in Wesseling eine "Handlung" in den gleichen Artikeln wie früheT. Sie wird in der gewohnten Art betrieben. Der Kundenkreis wuchs nach dem Tod des Firmengründers weiter. Das laufende Geschäft mit angesehenen Firmen im Rheinland wie weit darüber hinaus wurde nachdrücklich gepflegt. Hieraus entwickelten sich immer deutlicher Voraussetzungen und Möglichkeiten des kommenden Bankbetriebs. Im Hauptbuch 1825-1830 sind bereits rund 700 Namen enthalten. Wie deren Zahl sich mehrte, so wuchsen die Umsätze bei alten wie neuen Geschäftsfreunden im Inland wie Ausland.

Die frühe Ausrichtung der Warenkommission und Spedition auf den Bedarf der verfeinernden Metallgewerbe bei Beschaffung ihrer Rohstoffe wie für den Absatz der Fabrikation brachte enge, über lange Zeitperioden sich erstreckende Verbindungen. Schon in Kölns französischer Zeit waren Geschäftsbeziehungen der Handlung J. H. Stein zur Messingindustrie in Stolberg angebahnt worden. Die durch Abstammung wie Jugendeindrücke, durch seine Verwandtschaft gewonnenen Einblicke Carl Eduard Schnitzlers in Bedürfnisse und Bedingungen der rechtsrheinischen Metallwarenindustrie, in die Verfeinerungs arbeiten der dortigen Eisenwerke, ermöglichten besonders seit 1825 dem von ihm geführten Haus, geschäftliche Verbindungen mit den ersten Firmen dieser Fachgebiete in Remscheid und Solingen aufzunehmen. Bei dieser Geschäftspolitik war Schnitzlers genaue Kenntnis der Verhältnisse auf dem Kleineisenmarkt höchst wichtig.

Mit solcher Warenvermittlung war regelmäßig die Finanzierung dieser Geschäfte verbunden. Damit wurden für die Durchführung bankmäßiger Operationen wesentliche Voraussetzungen gegeben. Ähnlich wurzelten die frühen Beziehungen zwischen der Handlung J. H. Stein und der Textilindustrie im Warenkommissionsund Speditionsgeschäft. In den Geschäften mit den Textilunternehmungen hat J. H. Stein sich mit der ihm befreundeten, seit den Jahren 1829 und 1831 auch verwandtschaftlich durch zweifache Heirat verbundenen Handlung J. D. Herstatt öfters berührt. In die gleiche Zeit reichen die Geschäfte mit Christian Rhodius auf der Sternerhütte mit seinen Kupferbergwerken und Hüttenanlagen. Auch Steins Geschäftsbeziehungen zu Tillmann Joseph Esser auf der Schevenhütte bei Call und zur Direktion der Blechfabrik in Dillingen gehen in die Frühzeit des Jahrfünfts von 1825 bis 1830 zurück.

Die Beziehungen zu den verfeinernden Zweigen der metallurgischen Fabrikation und den Textilunternehmungen waren die Hauptstützen für den Kontokorrentverkehr von J. H. Stein. Sie überwogen in den zwanziger Jahren, im ganzen dritten und noch zu Beginn des vierten Jahrzehnts die übrigen Verbindungen zu industriellen Kreisen. Um seine Kräfte nicht zu zersplittern, hielt sich J. H. Stein auf anderen Gebieten, mit wenigen Ausnahmen, damals noch zurück.

Nach Liquidation des Anteils an der Wesselinger Lederfabrik, die wegen Rückgangs ihrer Ergebnisse und zwecks Sammlung der Kräfte abgebaut worden war, hat das Haus J. H. Stein sich ersichtlich von Verpflichtungen in eigenen industriellen Geschäften oder sonstiger Unternehmertätigkeit ferngehalten.Aktienbestände nahestehender Gesellschaften blieben noch klein. Zu er- wähnen ist für die nächsten Jahre nach des Gründers Tod nur, daß 1823 bis 1825 die ersten Einzahlungen auf dem Aktienkonto der "hiesigen" Rheinschiffahrts- und Assekuranz-Compagnie wie der Feuer- und Lebensversicherungsanstalt Elberfeld erfolgen. Auch ein Aktienkonto der Niederländischen Dampfboot-Gesellschaft wird geführt. Wie gering der Aktienbestand der Handlung J. H. Stein am Ende des ersten Viertels im 19. Jahrhundert gewesen ist, können wir zahlenmäßig aus dem Liquidationsvertrag erkennen, der mit Clemens Schmits bei dessen Austritt unterm Datum des 31. Dezember 1825 geschlossen worden ist. Darnach zählte der Bestand der Firma an diesem Termin 12 und 9 und 15 Aktien der drei genannten Gesellschaften.

Das Haus J. H. Stein ist über des Gründers Tod hinaus durch umsichtige Führung, vornehmlich durch Carl Eduard Schnitzlers Unternehmungssinn und Entschlußkraft, fortentwickelt worden. Es steht angesehen und ungefährdet in dem Zeitpunkt, da durch Gründung des Zollvereins sich neue Möglichkeiten für die kommende deutsche Volkswirtschaft erschließen.







 
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